“Die Position von gestern in Frage stellen.”

Georg Schöllhammer im Gespräch mit dem Kunsthistoriker und -kritiker Helmut Draxler

Review

“Der Anlass dieses Gesprächs sind drei aktuell von dir erschienene Publikationen.1 Ich finde, man kann sie parallel lesen, weil sie aus einer Gemengelage entstanden sind, die einen bestimmten historischen Moment sehr gut beschreiben. Die eine, “Gefährliche Substanzen," ist eine große Studie über Kunstkritik bzw. der Versuch, eine anti-idealistische Kunstkritik vor ihren eigenen ParteigängerInnen zu retten und das Motiv der kritischen Kunst in einen gegenwärtigen Diskurs einzuschreiben, der sich der in diesem Diskurs verborgenen Dialektik bewusst ist. Das Buch heißt, glaube ich, auch deswegen "Gefährliche Substanzen," weil es um das Vermischen der großen Motive eines universalistischen Paradigmas und dessen Auflösung in den Avantgarden der 1960er und 1970er Jahre bzw. dessen Rekontextualisierung seit den 1980er Jahren geht.

Das zweite Buch ist der Arbeit von Fareed Armaly gewidmet, der mit seinem Auftreten in der Kölner Szene Ende der 1980er Jahre vieles zum Wanken gebracht und mit seinen Diskurshintergründen für andere Konstellationen auf dem Spielfeld gesorgt hat. Das Buch unternimmt unter anderem den Versuch, die Motive einer substanziell lokalen Praxis und einer substanziell kontextuellen Praxis in ein Paradigma kritischer Kunst einzuschreiben, das sich in den 1990er Jahren ganz anderen Motiven zugewandt hat. Es wird sehr schön beschrieben, wie sich die neuen Essentialisierungen, die über die Antiglobalisierungsbewegung oder die Diskurse der italienischen Operaisten Eingang in die Kunstwelt gefunden haben, gegen die Eigentlichkeiten spreizen, mit denen kritische Kunst in den 1980er Jahren begonnen hatte, auch formal, über bestimmte Motive nachzudenken.”

(Exzerpt)

Footnotes

  1. Der Text basiert auf einem Gespräch, das anlässlich der Präsentation des Katalogbuchs zur Ausstellung “Shandyismus– Autorschaft als Genre” am 3. September 2007 in der Wiener Secession stattfand. Dank an die Gesellschaft der Freunde der Secession. 1 Vgl. Helmut Draxler, Gefährliche Substanzen. Zum Verhältnis von Kritik und Kunst, Berlin 2007; Helmut Draxler, Die Gewalt des Zusammenhangs. Raum, Repräsentation und Referenz bei Fareed Armaly, Berlin 2007 (beide Bücher sind in der Reihe PolYPen bei b_books erschienen); sowie Helmut Draxler (Hg.), Shandyismus. Autorschaft als Genre, Katalogbuch der gleichnamigen Ausstellung in der Wiener Secession und im Kunsthaus Dresden, Stuttgart 2007 (Verlag Merz & Solitude).