“Geschichte/Geschichten III: Fareed Armaly und Rashid Masharawi.”

From/To—Von/Bis—Von hier nach da

Review

Ein Netz von weißen Linien spannt sich über den kahlen Betonboden der Documentahalle. Ich lese: From Jaffa to Gaza, From Amman to Al Hussein -Camp. Orte in Palästina. Aktuelle Fernsehbilder fallen mir ein, das Hochziehen der Zäune und Mauern. Orte, die ich nur gefiltert durch die Berichterstattung der Medien kenne. Sie bleiben fremd. Dann lese ich auf einer Tafel: Name: Mahmoud Khaled El Samhoui. From City of Origin Jaffa to Khaled. From Amman to Al Hussein Camp.

Plötzlich bekommen die abstrakten Orte eine neue Bedeutung: Sie werden zu biographischen Daten, Zeichen einer persönlichen Geschichte. In der Reihe Geschichte/Geschichten stellen wir heute das Projekt From/To von Fareed Armaly und Rashid Masharawi vor: Eine Untersuchung über Palästinas Identität.

Eine Sitzinsel mitten in dem verzweigten Liniennetz läd zum “Warten” ein. Ich nehme Platz. Ein Film-Casting: Der Regisseur erklärt geduldig den palästinensischen Schauspielern, worum es ihm geht. Sie sollen einfach nur warten, eben so tun als ob sie warten. Angespanntes Warten zeigt ein Film im Nebenraum: Palästinensische Männer und Frauen an einem Grenzübergang. Das Hupen der Autofahrer, ein Signal der Ungeduld, wiederholt sich endlos. Eine junge Frau zögert sich dem Checkpoint zu nähern. Ein junger Mann der plötzlich los rennt.
Warten als existentielle Zeiterfahrung, Warten darauf, irgendwohin gelassen zu werden, sei es nur die Arbeitsstelle in einem anderen Stadteil, oder das Warten darauf an einen Ort zurückzukehren und bleiben zu dürfen.

Momente des Alltags im Blick des palästinensischen Filmemachers Rashid Masharavi. Der 1962 selbst einem Flüchtlingslager geboren wurde und sich bewusst dafür entschied Palästina nicht zuverlassen. In den anderen Räumen verfeinern und vervielfältigen sich die Blickwinkel auf die palästinensische Identität und Geschichte:

Postkarten aus den 50er Jahren zeigen Kriegsidyllen, geografische Karten zeigen Grenzverschiebungen.

Filmton aus Homemovie: “Dass sich der Krieg im Wohnzimmer fortsetzt, zeigt beinahe komisch der Film Homemovie. Eine Mann und eine Frau streiten auf einem Sofa. Sie hält immer wieder den Filmprojektor an, der Szenen der Belagerung abspult und auf die Wohnzimmerwand projeziert.”

From/To ist eine Zusammenarbeit von Fareed Armaly und Rashid Masharawi. Armaly ist Amerikaner palästinensisch-libanesischer Herkunft. Innenansichten und Außenansichten. Fareed Armaly hat ein Netz von Informationen in den Documenta-Räumen ausgebreitet. Bruchstückweise zeigen sich ungewohnte Perspektiven auf die Geschichte und das Selbstverständnis Palästinas und erschüttern leise den gewohnten Blick:

Besucherstimmen:

“Das ist ja auch definitiv nicht als Kunst ausgewiesen, () vielleicht ist es auch nicht wichtig dies als Kunst zu bezeichen, es ist einfach wichtig, wie mit einem solchen Konflikt auf der symbolischen Ebene umgegangen wird.”

“Ich muss dazusagen, ich habe die letzten Tage sehr heftig diskutiert mit einem syrischen Dichter über das Problem Palästina. Und wir haben festgestellt, dass die Medien bei uns die Sache sehr falsch darstellen. Und ich finde es gut, dass hier ein Bild gezeigt wird, das der Wirklichkeit näher kommt.”

(Manuskript zum hr2-Beitrag/Audio).