“Verständnis für Verbindung aus Avantgarde und Wirtschaftlichkeit.”

Review

Kunstsammeln als leidenschaftliches Anliegen und als Suche nach dem Verständnis für Avantgarde-Denken in Verbindung mit wirtschaftlichem Denken ist bezeichnend für das Engagement des Münchner Unternehmers Johannes Daxer.

Über seine Lebensweise äußert er sich klar: “. . .große Kunstsammlungen aufbauen, reich heiraten, das ist ein Fakt. Dann Ausbrechen aus Not und Glück haben.” Wobei ihm der persönliche Kontakt zu den Künstlern, die er in einem Heimhauser Cuvillies-Schloß (bei München) aufnimmt, besonders wichtig ist.

Um neueste Kunst ausstellen zu können, eröffnete er am 22. März den “Kunstraum Daxer” mit einer klärend-raumbezogenen Arbeit von Heimo Zobernig. Mit Künstlern der Galerie Christian Nagel (Köln) gestaltet Karola Gräßlin (Nagel-Mitarbeiterin bis zur Mitgestaltung der Berliner Metropolisausstellung) das diesjährige Programm.

Eine Gruppenarbeit von Cosima von Bonin, Michael Krebber, Fareed Armaly und Christian-Philipp Müller ist seit 3. Mai zu sehen. Während sich Krebber wieder einer Phase des Malens zuwendet und zwei seiner neuesten Bilder in unantastbarer Höhe befestigt, steht der, Besucher einem schablonenhaft ausgeschnittenen Pferd hinter einem leicht geöffneten Gatter in seiner plastikbezogenen Künstlichkeit gegenüber. Das Banal-Plakative mit seinen Assoziationsmöglickeiten wird in Bonins Videofilm Die fröhliche Wallfahrt in Form eines erzählend-realistischen Heimatfilmes noch verstärkt. Mit stark mythenbildendem Charakter wird eine Reflexion über den Stellenwert der Galerie, ihr Auftreten in einem “Kunstraum,” ihre internen Gegebenheiten in der klassischen Heimatfilm-Handlung (Pfarrer; C. Nagel, Wallfahrtteil-nehmer; seine Künstler) wiedergegeben, wobei Bonin mit dem Präsentationsort ebenso wie mit bornierten Strukturgegebenheiten ihr Spiel treibt. Austauschbarkeit, Wechsel-beziehung und Inanspruchnahme sind auch für die Arbeit Armalys und Müllers bezeichnend, die Herrn Daxer nicht nur die “Nagel”-Fassade mit Leuchtschrift im Schloßpark errichteten, sondern die Schrift (NAGEL) auch am “Kunstraum” (anbringen wollten, was vom Baureferat mit der Begründung “Das Aufstellen von Reklame und Hinweisschildern. . .wird. . .nicht zugelassen” abgewiesen wurde. In ihrer stärker politisch-konzeptuellen Arbeit werden Fragen wie “Wer .bestimmt, was gesehen werden darf? Wer darf was sehen? In welcher Umgebung darf was gesehen werden?” gestellt, die Glaubhaftigkeit bewußter oder unbewußter Wahrneh mungsphänomene ebenso wieBesitz- und Machtverhältnisse in Frage gestellt. So wird dem “Gästebuch” von Armaly/Müller, aufliegend auf einem Biedermeier-Tisch im “Kunstraum” zu Beginn, ein nie realisierter Idealplan aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts von Francois Cuvillier mit Zentralachse und romantisch aufgelockerten Lustwäldchen eingelegt, der die vermeintliche Natürlichkeit als mißverstandene Freiheit bloßlegt. Darauf folgen jeweils auf der linken Seite ein Polaroidfoto mit der “Nagel-Fassade,” aufgenommen von der Schloßterrasse, sich immer näher auf sie zubewegend, gegenüber gerafft die Geschichte der Fassadengestaltung in Form je einer Abbildung bis in die Gegenwart. “Welche Erscheinung wird für welche Öffentlichkeit gewählt? Welcher ist der ideale Standort?” wird ebenso hinterfragt wie die Wichtigkeit besonderer Charakterseiten oder der Entwurf einer “idealen” Öffentlichkeit von Massenkonsumenten, deren Blick sich auf Reklametafeln reduziert. Im aus der Nagel-Einladungskarte bestehenden “Begleittext,” der noch einmal die ironische Reflexion über den Ausstellungsort betont, ist den “Konsumenten” ihr Platz zugewiesen, um Eintragung in das Gästebuch mit Haimhauser Wappen wird gebeten.

(München, Ludwigstrasse 11).